Eva aus unserer Marinejugend bekam im August 2024 die Gelegenheit, auf der Palinuro mitzufahren. Hier ist ihr Bericht:
Die Palinuro nimmt uns Mitsegler am 9.August 2024 abends in Messina auf Sizilien an Bord. Für zehn Tage werden wir, eine Gruppe aus 20 jungen Leuten im Alter von 17 bis 24, auf diesem Segelschulschiff der italienischen Marine mitarbeiten und das Bordleben erleben.
Außer mir sind alle an Bord Italiener aus verschiedenen nautischen Schulen. Leider kenne ich nur ein paar wenige Worte Italienisch aus dem Urlaub und muss mir mit Englisch behelfen. Die Italiener sind sehr bemüht, mit mir Englisch zu reden so gut sie können bzw. zu übersetzen, was Crewmitglieder erklären, die kein Englisch sprechen. Dennoch bleibt eine Sprachbarriere. Ich bemühe mich, die wichtigsten italienischen Begriffe zu erlernen.
Das Mittelalterspektakel
Schon am nächsten Morgen heißt es dann „Leinen los!“. Wir drehen nur eine kleine Runde vor der Bucht und fahren dann wieder Richtung Hafen. Kurz vor dem Ablegen kommt eine Gruppe Schauspieler in mittelalterlichen Gewändern an Bord. Mit der Palinuro an der Spitze fahren dann mehrere Boote in einer Schiffsparade in den Hafen von Messina ein. Dort gehen die Schauspieler theatralisch über eine Planke von Bord. Sie stellen die Landung des Italieners Giovanni Caboto auf dem nordamerikanischen Kontinent nach, wie sie aus dem 15. Jahrhundert überliefert ist. Zum Festakt ist auch die italienische Admiralität gekommen und die gesamte Crew tritt an Deck an. Leider stehen wir die ganze Zeit in der prallen Sonne und eine der jungen Mitseglerinnen hat einen Kreislaufzusammenbruch. Die Reden und das weitere Programm auf Deck werden daraufhin sofort komplett abgebrochen und die Kameradin versorgt. Es war in dieser unschönen Situation immerhin positiv zu erleben, dass die Gesundheit an erster Stelle steht. Zum Glück erholt die junge Frau sich schnell wieder.
Mit den wichtigsten Bordregeln und Leitlinien wurden wir bereits vorab vertraut gemacht. Es wird erwartet, dass die gesamte Crew respektvoll gesiezt wird. Das spielt für mich allerdings keine Rolle, da ich ja nur Englisch rede. Insgesamt habe ich den Umgang eher als locker und freundlich empfunden. Auf Pünktlichkeit wurde wert gelegt, aber militärischen Drill habe ich nicht erlebt.
Das Schiff
Die Palinuro ist ein 69m langer Dreimaster. Das Schiff wurde 1934 in Dienst gestellt, aber seitdem mehrmals umgebaut. Zur modernen Ausstattung gehört neben einem Dieselmotor, aktueller Navigationstechnik und ordentlichen Sanitäranlagen glücklicherweise auch eine Klimaanlage für die Räume unter Deck. Bei den heißen Augusttemperaturen wäre sonst ein Aufenthalt dort kaum auszuhalten.
Die Palinuro ist an drei Masten als Schonerbark getakelt. Von den circa 1000 m² Segelfläche bekomme ich leider nicht viel zu sehen. Entgegen dem Schiffsmotto „Faventibus ventis“ (Günstige Winde) herrscht die gesamte Fahrt über weitgehend Windstille. Nur ein kleineres Segel wird aufgezogen, das meistens schlaff herunterhängt. Eine Gelegenheit, auf den Mast zu steigen, ergibt sich leider nicht. Das Schiff bewegt sich mit dem Dieselmotor fort.
Zur Seemannsarbeit, die uns jungen Leuten regelmäßig zugeteilt wird, gehört Wachdienst mit Ausschau halten. Mit Ferngläsern ausgestattet und mit Gurten gesichert stehen wir an der Reling steuerbord („dritta“) oder backbord („sinistra“) und suchen die Wasserfläche nach Objekten ab, die möglicherweise unseren Kurs kreuzen. Gelegentlich fallen für uns kleinere Reparatur- und einige wenige Putzarbeiten an. Einige Messingaufsätze an Deck zum Beispiel poliere ich, bis sie strahlend schön glänzen.
Bei der Navigation auf der Brücke („plancia“) dürfen wir auch mithelfen. Abwechselnd stehen wir am Steuerrad und halten den Kurs, indem wir uns am Kompass orientieren. Ein Offizier ist immer anwesend und kann einen Kurswechsel befehlen. Es ist ein besonderes Gefühl, mit einer kleinen Handbewegung das riesige Schiff zu drehen. Anspruchsvoll und ungewohnt für mich ist bei dieser Arbeit hauptsächlich die Einteilung in Schichten. Mitten in der Nacht Dienst zu tun fällt schwer. Der Schlafmangel macht sich gegen Ende der Reise bei den meisten bemerkbar.
Gemeinschaftsunterkünfte
Ein größerer Raum unter Deck dient als gemeinschaftlicher Schlafraum. Vorhänge zwischen den Frauen und Männern sorgen nur ein wenig für Privatsphäre. Es ist eng auf dem Schiff. Immer drei Hängematten sind übereinander angebracht und jeweils zwei befinden sich nebeneinander. Jeden Morgen müssen sie eingerollt werden, damit Platz zum Essen geschaffen wird. Unser Gepäck verstauen wir alle unter der untersten Hängematte. Viel hatte ich allerdings nicht dabei, da von den Mitseglern einheitlich weiße Shirts und marine-blaue Hosen an Bord getragen werden müssen. Die Crew hat dagegen dunkle Oberteile an. Nur zu offiziellen Anlässen werden weiße Uniformen benutzt.
Verpflegung
Für gute Verpflegung ist auf dem Schiff gesorgt. Die Kombüse („combusa“) bietet mittags und abends eine abwechslungsreiche Auswahl verschiedener Mahlzeiten an, die wir uns wie in einer Kantine auf Tabletts („gamelle“) an der Essensausgabe holen. Es gibt fast täglich Pasta, manchmal Pizza, Lasagne oder Risotto. Fast immer werden auch Meeresfrüchte oder Fleischgerichte angeboten. Am besten schmeckt mir ein kleines Kartoffelbreiküchlein, das die Italiener als „Gateau di patate“ bezeichnen. Die italienische Küche finde ich sehr lecker, egal ob an Land oder auf See.
Einmal war ich am Kapitänstisch eingeladen, wo man sogar bedient wird. Comandante Samuele Mondino war sehr nett und interessiert an der Kameradschaftsstruktur des DMB. Ich hatte den Eindruck, dass die deutsche und die italienische Marine nicht so viele Berührungspunkte haben. Dass sich unsere Forchheimer Marinekameradschaft mitten im Landesinneren, weit weg von der Küste befindet, ist für Italiener schwer vorstellbar.
Nach 10 Tagen und circa 450 Seemeilen legen wir mit der Palinuro in Cagliari auf Sardinien an. Damit heißt es Abschied nehmen vom Leben an Bord und vielen neu gewonnenen Freunden. Ich muss zurück nach Deutschland. Die zehn Tage auf der Palinuro werden mir für immer unvergesslich bleiben. Mein großer Dank gilt der Besatzung der Palinuro, den Betreuern, sowie den DMB-MitarbeiterInnen und -Mitarbeitern, die mir das ermöglicht haben, vor allem Helga und Jörg.